Wer dieser Tage am Überlinger Stadtbahnhof vorbeifährt, der gerät in ihre Fänge. Auf einer Litfaßsäule wirbt eine weltbekannte Fast-Food-Kette mit Fritten. Salzig, knusprig, goldgelb – nur wenige Meter den Burgberg hinauf baden sie in der Fritteuse und warten darauf, verspeist zu werden. Die Botschaft bleibt hängen. So, dass manch einer sich früher oder später in dem Schnellrestaurant wiederfindet. Und das mithilfe dieser Werbetechnik aus dem 19. Jahrhundert.

Von Berlin an den Bodensee

Sie ist älter als das Radio, das Fernsehen oder Social Media, doch immer noch ist die Litfaßsäule auf unseren Straßen präsent. Nach ihrer Geburtsstunde um 1854 in Berlin verbreitete sie sich – und fand auch ihren Weg an den Bodensee.

Wann genau die erste Litfaßsäule in der Region aufgestellt wurde, ist schwer zu sagen. Laut historischen Ansichtskarten, die sich heute noch auf Online-Tauschbörsen finden lassen, standen um die Jahrhundertwende herum bereits Litfaßsäulen in Konstanz. Ab den 1930er-Jahren gehörten sie längst zum Stadtbild Überlingen oder Konstanz, wie Archivbilder zeigen.

Eine Litfaßsäule um das Jahr 1939 am Konstanzer Bahnhof (links). Rechts: ein Plakateur befestigt eine Reklame an der Überlinger ...
Eine Litfaßsäule um das Jahr 1939 am Konstanzer Bahnhof (links). Rechts: ein Plakateur befestigt eine Reklame an der Überlinger Seepromenade, die für die Zigarettenmarke Salem No. 6 wirbt. | Bild: Schwarz Außenwerbung

Diese Branche setzt noch auf die Litfaßsäule

Heute stehen in der Bodenseeregion (Bodenseekreis und Landkreis Konstanz) noch rund 370 Litfaßsäulen, wie Arno Holzbaur erklärt. Er ist Geschäftsführer der Konstanzer Firma Schwarz Außenwerbung. Das Unternehmen gehört zu den wichtigsten Anbietern von Litfaßsäulen und anderen Werbeflächen in der Bodenseeregion.

Anders als die Fritten-Werbung vermuten lässt, wird die Litfaßsäule heutzutage überwiegend für Kultur- oder Veranstaltungswerbung genutzt, erklärt er. Das liege an der kostengünstigen Werbemöglichkeit. Veranstalter können unterschiedliche Größen oder eine gesamte Säule für eine Mindestlaufzeit von zehn Tagen buchen. Gesamte Säulen sind ab einem Tagespreis von rund 21 Euro buchbar, je nach Standort.

Das macht die Säule heute noch besonders

Aufgrund eines überschaubaren Budgets von Kulturtreibenden sei die Litfaßsäule ein beliebtes Mittel der Wahl. In Zeiten des Internets und der zunehmenden Digitalisierung sei es kaum vorstellbar, dass die Litfaßsäule weiterhin eine gute Werbemöglichkeit sei, gibt Holzbaur zu. „Aber unsere Erfahrung zeigt, dass gerade für die regionalen Kulturanschläge eine Internetwerbung kaum zum Einsatz kommt, da dieses zu teuer ist und auch nicht so fein ausgesteuert werden kann, wie es mit einer Netzbelegung bei Litfaßsäulen möglich ist.“

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Die Corona-Pandemie und der Ausfall von Veranstaltungen habe die Zukunft der Werbesäule bedroht. „In den Jahren nach Corona habe sich der Umsatz wieder eingependelt“, sagt der Werbeexperte. Grundsätzlich sei es schwieriger geworden, diese kostendeckend zu betreiben, das gelte insbesondere in den kleinen Gemeinden. „Insgesamt kann man schon sagen, dass die Litfaßsäulen durch die anderen Werbeträger in der Öffentlichkeit quersubventioniert wird“, sagt Holzbaur.

Warum die Litfaßsäule uns erhalten bleibt

In den vergangenen 170 Jahren hat sich Werbetechnik deutlich weiterentwickelt. Kaum überraschend daher, dass die Anzahl der klassischen Litfaßsäule in Deutschland rückläufig ist, wie Thomas Masek erklärt. Der Geschäftsführer des Werbedienstleisters Crossvertise bezieht sich dabei auf aktuelle Zahlen des Fachverbands Außenwerbung.

Thomas Masek, Geschäftsführer des Münchener Werbedienstleisters Crossvertise. Dieser vermittelt auch Werbeflächen am Bodensee.
Thomas Masek, Geschäftsführer des Münchener Werbedienstleisters Crossvertise. Dieser vermittelt auch Werbeflächen am Bodensee. | Bild: Crossvertise GmbH

Demnach gab es im Jahr 2013 noch 14.800 klassische Litfaßsäulen, sogenannte Ganzsäulen, in Deutschland. Zehn Jahre später lag die Zahl nur noch bei rund 14.100 Objekten. „Konkurrenz bekommen die Ganzsäulen auch generell von digitalen Flächen“, sagt Masek. Zuletzt seien immer mehr beleuchtete, rotierende Säulen installiert, wie sie auch bereits in Friedrichshafen oder Konstanz zu entdecken sind.

Die moderne Variante der Litfaßsäule am Konstanzer Sternenplatz. Sie ist bei Nacht beleuchtet und rotiert.
Die moderne Variante der Litfaßsäule am Konstanzer Sternenplatz. Sie ist bei Nacht beleuchtet und rotiert. | Bild: Scherrer, Aurelia

Die Firma Schwarz Außenwerbung bewirbt diese Technik auf ihrer Webseite als „die moderne Nachfahrin der klassischen Litfaßsäule“. Gut möglich also, dass die Litfaßsäule uns noch lange erhalten bleibt. Wenn, auch nicht mit Papier und Kleister.