Böhringen – Die meisten Zuhörer in der voll besetzten Mehrzweckhalle wären wohl auch so zum traditionellen Frühjahrskonzert nach Böhringen gekommen. Aber die Spannung auf die Welturaufführung eines renommierten Komponisten, der extra ein Werk für den Heimatort geschaffen hat, war schon vor dem Betreten der Halle zu spüren. Zuvor stimmten die Musiker mit gewohnt hochklassig vorgetragenen, konzertanten Melodien die Zuhörer auf die nächsten zwei Stunden bester Unterhaltung aus dem Nachbarland Schweiz ein. Die „Alpine Overtüre“ von Dominic Frank holte das Publikum am Fuß des Berges ab und führte es mit dem Einsatz aller 70 Instrumente Schritt für Schritt bis auf die höchsten Spitzen. Klang diese Erstbesteigung schon dramatisch, so schaffte es Etienne Crausaz, dies mit seiner „Deliverance“ noch zu steigern. Jede vorgetragene Note ließ im Kopf den Verlauf von einem unbekümmerten Freizeitausflug über die Suche nach dem vermissten Kind, die Entdeckung, dass es in einen Schacht gefallen ist, bis zu seiner Befreiung lebendig werden.

Doch auch dies war nur der Auftakt zum lang ersehnten Werk „Bricks in Fire“ des gefragtesten Blasmusikkomponisten und Dozenten aus dem Berner Kanton: Mario Bürki. Dirigiert wurde das Auftragswerk aber nicht vom anwesenden Schöpfer, sondern von Dr. Mario Geigges, der die Idee zu dieser Umsetzung der Böhringer Geschichte hatte. Die besondere Herausforderung, für ein Stück, das noch nie zuvor gespielt und somit auch vom Dirigenten nicht gehört wurde, die richtige Intonation zu finden, wurde gekonnt gemeistert. Davon konnte sich der Komponist bei einem Probewochenendenbesuch überzeugen. Ebenso waren die Mitglieder und der Vorstand des Musikvereins begeistert, wie gefühlvoll und detailliert der Schweizer die Vorgaben umgesetzt hat.

Diese wurden schon Monate vorher mit allen Bläsern zusammengetragen, gestrichen und konkretisiert. Alle im Saal konnten dann in den nächsten 13 Minuten einen Ausflug in die Geschichte ihres Ortes miterleben. Deutlich konnte man am Leben in einem beschaulichen Ort an einem Bach umgeben von zahlreichen Störchen und dominiert von der ansässigen Ziegelei teilhaben. Die Klänge der orchestralen Instrumente, unterstützt von unüblichen Materialien wie Klanghölzer und Tonziegeln, beschrieben auch den richtungswechselnden Großbrand, ließen das Entsetzen darüber spüren und den zaghaften Neuanfang der Dorfbewohner. Die verschiedensten Epochen wurden nahezu genial durch eine wohlgefällige Themamelodie verbunden, welche aber je nach Situation stimmig variierte.

Das Programm wurde so geschickt konzipiert, dass man sich auch auf die Vorträge nach der Pause freute. Mario Bürki dirigierte nun selbst zwei seiner Stücke. Dank seines Werks „Terra Pacem“ konnten an verschiedensten Stellen einzelne, leisere Instrumente glänzen, da das Restorchester es beherrschte, diese sehr dezent zu untermalen. Während bei „Celtic Force“ die Spielfreude so weit durchschlug, dass Bürki seinen Dirigentenstock weglegen konnte und das Stück die Musiker durch die Klänge der irischen Insel trug. Konzentrierter ging es dann bei dem Werk „Showdown for Band“ zu, welches Gilbert Tinner für einen Wettbewerb komponierte und dementsprechend anspruchsvoll für jedes einzelne Instrument war.

Nach der Präsentation verdienter Musiker durch den Vorsitzenden Frank Schweitzer klang der gelungene Abend mit einem weiteren Werk des Gastdirigenten Mario Bürki „Menzberg“ aus. „Die intensive Probezeit seit Jahresbeginn hat sich definitiv ausgezahlt“, sagte die stellvertretende Vorsitzende Ann-Kathrin Riederer. Dies unterstrichen auch die zahlreichen Gäste durch anhaltenden Applaus am Ende des Abends mit einer Welturaufführung, die sicherlich in das Repertoire vieler Blasorchester Eingang finden wird.