Einmal jährlich lädt Landrätin Stefanie Bürkle die Mitglieder des Landfrauenverbands zu einem gemeinsamen Gesprächsnachmittag und einer vorherigen Besichtigungstour ein. Ihr sei es ein Bedürfnis, in Kontakt mit dem weiblichen Teil der Landbevölkerung zu bleiben, „weil sie sich in den Gemeinden, in der Fläche des Landkreises aktiv in die Gesellschaft einbringen“, so Bürkle. Treffpunkt war in diesem Jahr das Begegnungscafé der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA), wo der Leiter der LEA, Hardy Losekamm mit seiner Stellvertreterin Corina Wolf die Landkreischefin und die Landfrauen willkommen hieß. Über 80  Frauen des Landfrauenverbandes Biberach-Sigmaringen sowie der Landfrauen-Bezirke Meßkirch und Pfullendorf waren der Einladung gefolgt, darunter auch Doris Härle, die Vizepräsidentin des Landfrauenverbands Württemberg-Hohenzollern und dessen Ehrenvorsitzende Toni Teufel.

Unterbringung und Versorgung ist humanitäre Aufgabe für alle

In vier Gruppen besichtigten die Frauen unter fachkundiger Führung einen Teil der LEA – aus zeitlichen Gründen war eine komplette Begehung nicht möglich – und ließen sich unter anderem die Abläufe des Aufnahmeverfahrens der Asylsuchenden erklären. Sowohl Bürkle als auch Losekamm gaben Einblick in die derzeitigen Belegungszahlen, Nationalitäten, Geschlechterverhältnisse, Altersstrukturen, sowie über die Verweildauer, weitere Unterbringung und den Verteilerschlüssel. Stefanie Bürkle bezeichnete die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten als humanitäre Aufgabe aller, denn „nur durch gute Aufnahme durch die Bürger kann ein Miteinander gelingen“. Die Landrätin weiter: „Für mich ist das der Schlüssel zur gelungenen Integration“. Sie berichtete von positiven Beispielen aus ihrem Verwandten- und Freundeskreis. Natürlich gebe es „solche und solche“, aber das sei auch unter den Einheimischen nicht anders.

Frank Vees und Claudia Lamprecht, beide Streetworker, mit LEA-Leiter Hardy Losekamm. Die Streetworker sind Ansprechpartner für ...
Frank Vees und Claudia Lamprecht, beide Streetworker, mit LEA-Leiter Hardy Losekamm. Die Streetworker sind Ansprechpartner für Neuankömmlinge und Einheimische. | Bild: Susanne Grimm

Auch Streetworkerin Claudia Lamprecht unterstrich dies in einem Gespräch: „Von allen, die derzeit hier sind, sind es immer nur die zwei gleichen, die in der Einrichtung oder im Ort negativ auffallen“. Dieses Verhalten falle dann halt leider auf alle LEA-Bewohner zurück. „Die allermeisten Geflüchteten sind friedlich und wollen auch nicht auffallen“, sagte Lamprecht. In ihren Gesprächen mit den Betroffenen erfahre sie viel von traumatischen Erfahrungen, von Fremdsein und Heimweh, aber auch von dem ungewohnten Gefühl, hier in Sicherheit zu sein. Wie Hardy Losekamm unterstrich, „wird Flucht und Migration auch langfristig eine große Herausforderung für uns alle darstellen“.

Flüchtlingszahlen werden wegen der Kriege weiter steigen

Auch wenn aufgrund der gesetzlichen Änderung der Grenzkontrollen bei Einreisen in jüngster Zeit ein Rückgang der Flüchtlingszahlen zu verzeichnen gewesen war, befand der LEA-Leiter: „Der Zuzug nach Europa ist nach wie vor ungebrochen“. Waren es im Jahr 2023 rund 351.000 Geflüchtete, werde in 2024 mit 210.000 Menschen gerechnet, danach aber würden die Verantwortlichen davon ausgehen, dass die Zahlen wieder ansteigen werden. „Deshalb müssen wir vorbereitet sein“.

Doris Härle, Vizepräsidentin des Landfrauenverbands Württemberg-Hohenzollern, überreicht Landrätin Bürkle ein Geschenkkörble.
Doris Härle, Vizepräsidentin des Landfrauenverbands Württemberg-Hohenzollern, überreicht Landrätin Bürkle ein Geschenkkörble. | Bild: Susanne Grimm

Nach der Führung durch die Einrichtung hat Landrätin Bürkle die Gäste zu Kaffee und Kuchen in das Begegnungscafé eingeladen, das gegenüber der LEA an der Binger Straße liegt. Die meisten Frauen zeigten sich überrascht, dass das ehemalige Offizierskasino der Graf-Stauffenberg-Kaserne bereits seit gut zehn Jahren ein öffentliches Café ist, bei dem jedermann Gast sein und mit Geflüchteten in Kontakt kommen kann. An diesem Nachmittag haben Bewohner der LEA die Bewirtung der Gäste übernommen. Doris Härle informierte die Versammlung über die Ereignisse und Tätigkeiten des Landfrauenverbandes im vergangenen Jahr, wobei die jüngsten Proteste der Landwirte natürlich auch thematisiert worden sind.

Landrätin spricht über aktuelle Themen der Kreispolitik

Auch die Landrätin nutzte die Gelegenheit, die Frauen über aktuelle Themen aus der Kreispolitik zu informieren, insbesondere die Vorgänge rund um die Klinikdebatten und das große Projekt des Landkreises, der Neubau der Berta-Benz-Schule, in der die Kreispolitikerin ein großes Zukunftspotenzial für die Region sieht. Sowohl Bürkle als auch Härle forderten die Zuhörerinnen auf, Fragen zu stellen, zu diskutieren und sich zu informieren. Härle: „Fragt nach, wenn ihr was wissen wollt, macht euch kundig!“ Das Beispiel mit der LEA-Begehung habe gezeigt, „dass auch wir vieles, was hier geschieht und was es hier gibt, nicht gewusst haben“.

Auch Vorsorgeverfügungen sind Thema

Beide Rednerinnen vergaßen auch die wichtigen Themen nicht, wie wählen zu gehen oder Vorsorgeverfügungen aufzustellen. Vielen sei nicht bewusst, dass im Fall eines Notfalls Eheleute nicht über Behandlungen des Partners entscheiden können, wenn keine Verfügung oder Vollmacht vorliegt. Dasselbe gelte auch für erwachsene Kinder. Liegt keine Vollmacht vor, muss der Arzt im Ernstfall von Amts wegen eine gesetzliche Betreuung anfordern.