Mit solch einem Zuspruch beim Vortrag „Naturschutz im Garten. Biologische Vielfalt im eigenen Grün“ haben die Veranstalter sichtlich nicht gerechnet. Mehrfach stellten Martin Kuhn und Martin Hensler im Pfarrheim weitere Stühle auf, um ausreichend Sitzplätze für die Zuhörer zu schaffen. Hensler und Kuhn sind Klimapaten der Zukunftswerkstatt Gemeinde Wald.

Zunftswerkstatt mit großem Zuspruch

Die Zukunftswerkstatt ist ein Projekt, das vor wenigen Monaten aufgenommen wurde und Zukunftsthemen und vor allem den Klimaschutz aufgreift. In Carsten Weber, dem freien Gutachter für Artenschutz und Ökologie und Geoökologen hatten sie einen versierten Referenten gefunden. Der BUND unterstützte die Veranstaltung und übernahm Webers Vortragshonorar.

Carsten Weber bekannt aus dem Fernsehen

Weber freute sich ebenfalls über den großen Zuspruch. Er lebe seit rund zehn Jahren in Leibertingen und habe bislang eher das Gefühl gehabt, auf dem Land bestehe aus Sicht vieler Menschen nicht so viel Bedarf an Naturschutz. Viele kennen Weber auch als Experten für Naturschutz und Tiere im Garten in den Fernsehsendungen „Kaffee oder Tee“ und „ARD Buffet“. Mit dem Vortragsthema verbindet er eines seiner Kernthemen, nämlich das Gartenthema mit mehr Ökologie zu verbinden. „Jeder sieht den Garten in einer anderen Funktion und unterschiedlichen Sichtweisen der Ästhetik. Naturschutz ist erst in den letzten Jahrzehnten in die Gärten eingewandert.“

Drei-Zonen-Garten als Beispiel

Mit allgemeinen Informationen zum Naturschutz stieg der Referent in den Vortrag ein, ging zum Garten als Netzwerk und die Elemente eines Nutzgartens über, sowie auf die Funktion von Nützlingen im Naturgarten, die Garten-Modeszenen und Strömungen Permakultur, Drei-Zonen-Garten und Biogarten ein.

Massive Verluste bei den Arten

Bei der Artenvielfalt gebe es einen massiven Verlust, beispielsweise einen 70-prozentigen Verlust an Biomasse an Fluginsekten auf Probeflächen in Deutschland seit 1980. Seit 1970 ging in der EU die Population bei Feldlerche, Rebhuhn und Kiebitz um 90 Prozent zurück und bei den Mehl- und Rauchschwalben verzeichnet die EU seit 1980 einen Populationsverlust von 80 Prozent. „Das Artensterben ist eigentlich eine viel größere Bedrohung als der Klimawandel“, sagte Weber.

In fünf Jahren 50 Millionen Jahre Evolution zerstört

In den vergangenen 50 Jahren sei die Evolution von fünf Millionen Jahren zerstört worden. Dabei spiele die Artenvielfalt eine wichtige Rolle in den Ökosystemen. Faktoren für das Artensterben seien unter anderem Flächennutzung und -versiegelung, Klimawandel, Feinstaub, marine Überdüngung, Ozonschichtzerstörung, Meeresversauerung, Schadstoffe und Schadorganismen. 50 Prozent der Flächen in Deutschland werden landwirtschaftlich genutzt, in Deutschland gebe es nur noch 15 Prozent naturnahe Wälder.

Naturnahe Gärten sind Trittstein für Vielfalt

Gärten machten nur einen extrem kleinen Teil der Flächen aus. Aber ein naturnaher Garten könne ein Trittstein für Vielfalt sein. Viele Arten brauchen alle 150 Meter einen solchen Trittstein. Wenn nur ein Naturgarten zwischen anderen Gärten sei, erfülle er diese Trittsteinfunktion.

Eigene Zucht von Setzlingen ist sinnvoll

Weber erläuterte viele ökologische Zusammenhänge anschaulich. Dadurch erhielten auch langjährige und versierte Gärtner überraschende Erkenntnisse, etwa dass Neonikotinoide, die weltweit meist eingesetzten Insektengifte, zwar nicht mehr in der Landwirtschaft, aber noch in Gewächshäusern und zur Behandlung von Saatgut, das in Gewächshäusern gesät wird, eingesetzt werden dürfen. Bestäuber nehmen das Insektizid auf, dadurch werden ihr Orientierungsvermögen und das Navigationsgedächtnis gestört. Da jedoch die meisten Setzlinge und Pflanzen in Gewächshäusern angezogen werden, sei eine eigene Anzucht von Setzlingen immer sinnvoll, um zu verhindern, dass die nicht nur für Insekten problematischen Gifte in den eigenen Garten kommen. Erbsen, Bohnen und Tomaten seien leicht vermehrbar.

Totholz gehört in einen Naturgarten

In einem Naturgarten sollten Holz und Totholz, artenreiche Heckenstrukturen, die im Winter auch Beeren bieten, entsprechende Pflanzen, Steine und sandige Zonen für Wildbienen vorhanden sein. Nur ein Drittel der Wildbienen nutzt Nisthilfen wie Insektenhotels. Zwei Drittel nisten im Boden. Ein Sandarium, 50 Zentimeter tief, gefüllt mit Kabelsand, der nicht in die Erdlöcher rieselt, bietet Wildbienen Nistplätze. Kabelsand ist beispielsweise bei einem Pfullendorfer Kies- und Schotterwerk erhältlich, erfuhr der SÜDKURIER auf Nachfrage.

Naturteich ohne Fische anlegen

Ein Naturgartenteich sollte ohne Fische sein, weil diese wiederum alles „wegfressen, was dort leben soll“. Weber nannte Kaulquappen und Larven. Möglichst viele Pflanzen im Naturgarten sollten heimisch sein.

Futterpflanzen für Insekten pflanzen

Gerade erst sind die Forsythien verblüht. Diese Pflanze ist zwar schön, aber steril und stelle keinen Nutzen für Insekten dar, da sie weder Nektar noch Pollen produziert. Die Kornelkirsche blüht ebenso schön und früh und verfüge über Nektar und Pollen sowie Früchte für Vögel. Unter anderem legte Weber den Interessierten Skabiosen, Flockenblumen und Beinwell als beliebte Anflugziele und Futterpflanzen für Insekten ans Herz. Eine Blühwiese biete mehr als 100 Schmetterlingsarten Nahrung, so Weber. Er klärte auf, dass in den beliebten Blühwiesenmischungen vielfach Samen nichtheimischer Pflanzen sind.

Verzicht auf Gifte, Torf und Chemie

Eine wichtige Botschaft lautete: keine Gifte, keine Chemie und keinen Torf im Garten. Durch eigene Kompostierung könne der Boden aufgewertet werden. Auf die Frage, was man bei Ameisen machen soll, antwortete er „sich freuen und lassen“. Ameisen seien ein wichtiges Netzwerkglied in ihrer Funktion als Nützlinge. Beispielsweise werden Veilchen nur von Ameisen verbreitetet.