Heute sind Eva-Maria Nägele und Tobias Auer wieder als Auszubildende der Krankenpflegehilfe in der Klinik Tettnang im Einsatz: die 38-Jährige in der Zentralen Notaufnahme, der 33-Jährige auf einer normalen Bettenstation.

Mehr als die Hälfte ihrer einjährigen Ausbildungszeit, die für beide eigentlich eine Weiterbildung ist, haben sie „sehr angetan und zufrieden absolviert“, erzählt Claudia Fugel, Verwaltungsleiterin der Justizvollzugsanstalt Ravensburg (JVA). Sie ist die eigentliche Chefin der beiden Vollzugsbeamten, wie der Medizin Campus Bodensee (MCB) in Friedrichshafen in einer Pressemitteilung schreibt.

Häftlinge im Alter von 14 bis 90 Jahren

Eva-Maria Nägele erzählt im Gespräch: „Es ist eine sehr spannende Zeit und wir lernen unglaublich viel.“ Beide Azubis mit dem ungewöhnlichen beruflichen Hintergrund freuen sich darüber, dass sie überall offen empfangen werden und ihnen mehr Wissen als in dieser Ausbildung üblich vermittelt wird. Als medizinisch geschulte Mitarbeiter in der Vollzugsambulanz müssen sie möglichst breit aufgestellt sein, um mit den gesundheitlichen Problemen der Insassen im Alter von 14 bis 90 Jahren, die unterschiedliche Straftaten begangen haben oder auch Kriegsverletzungen haben, umgehen zu können.

Azubis seit Jahren als Vollzugsbeamte tätig

Eva-Maria Nägele und Tobias Auer haben ihre Ausbildung im mittleren Vollzugsdienst längst beendet und sind seit einigen Jahren in der JVA Hinzistobel als Justizvollzugsbeamte tätig. Sie haben sich für das Angebot einer Zusatzqualifikation entschieden, um danach im Medizinischen Dienst hinter den Gefängnismauern eingesetzt zu werden. Ihre Ausbildung startete im September 2023.

Tobias Auer erzählt: „Ich wollte schon immer auf der Krankenstation arbeiten.“ Daher habe er sich freiwillig für das Pilotprojekt gemeldet. Die Klinik Tettnang kannte er schon vorher – nicht nur einmal begleitete er einen JVA-Insassen hierher, wenn dieser stationär oder operativ versorgt und natürlich bewacht werden musste.

Unter den Mitarbeitenden der JVA gibt es einige, die früher als Krankenschwestern oder Pfleger gearbeitet haben, als medizinisch-technische Assistenten oder Altenpfleger. Da der Arbeitsmarkt für Pflegefachpersonal leergefegt ist, suchte auch die JVA Ravensburg nach einem neuen Weg. Einen Kooperationspartner fand sie in der Gesundheitsakademie Bodensee-Oberschwaben in Weingarten und im Medizin Campus Bodensee. Für die beiden Beamten in Ausbildung bedeute dies: Theorie in Weingarten und Praxis in Tettnang.

Insassen werden ausschließlich ambulant behandelt

Die Medizinische Abteilung ist in Hinzistobel in einem Flachbau untergebracht, neben einem Wartebereich gibt es mehrere Behandlungszimmer, durch die Thomas Passoni als Leiter des Medizinischen Dienstes führt. Hier werde ausschließlich ambulant behandelt, erzählt der frühere Rettungsassistent und sagt: „Einfache Dinge kommen häufiger vor als komplizierte.“ Da sei es wichtig, dass es Mitarbeitende wie Eva-Maria Nägele und Tobias Auer gebe, die differenzieren können – Ernstzunehmendes von Kleinigkeiten unterscheiden und entsprechend agieren, wie es Eva-Maria Nägele aktuell in der Notaufnahme lernt.

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Zwei Ärzte behandeln die gut 400 Insassen, darüber hinaus gibt es eine zahnärztliche Versorgung und eine psychiatrische, die neuerdings telemedizinisch erfolgt. Die JVA arbeitet mit einer Vertragsapotheke zusammen, die dafür sorgt, dass die Hausapotheke der Haftanstalt jene Medikamente vorhält, die entweder von den Ärzten verordnet oder von den Insassen gekauft wurden.

Rund 11.000 Patienten-Arzt-Kontakte pro Jahr

Thomas Passoni erklärt, dass es in der JVA jährlich 8000 Patienten-Arzt-Kontakte und zusätzlich 3000 mit dem Zahnarzt gebe. Es komme nicht sehr oft zu Notfällen, eher seien pflegerische oder pflegende Aufgaben vor allem bei den älteren Insassen nötig. Akute Probleme werden sofort versorgt, ein Arzttermin muss schriftlich beantragt werden. Überwiegend seien aber psychische Krankheitsbilder zu therapieren, oft Begleiterscheinung eines langjährigen Drogenkonsums des Häftlings. In Anwesenheit eines Beamten können die Häftlinge hier telemedizinische Behandlungen wahrnehmen, gegebenenfalls wird auch Video-gedolmetscht, was zehn bis 15 Mal pro Woche vorkommt.

Claudia Fugel ist überzeugt von der Zusatzausbildung: „Wir würden die Kooperation sehr gern fortsetzen“, sagt die Verwaltungsleiterin der Justizvollzugsanstalt am Ende der Premiere. Sie sei sicher, dass sich weitere Vollzugsbeamten für diesen Weg interessierten.