Keine Chance – hier ist absolut kein Durchkommen. Die Hoffnung, doch noch einen Blick auf die drei als „Künstler des Jahres“ ausgezeichneten Musiker der Band Dicke Fische werfen zu können – vergeblich. So dicht drängt sich die Menschentraube oder eher Menschenmasse im Obergeschoss des Proma. Und ganz deutlich ist zu erkennen, aus so vielen Gesichtern spricht der Titel einer anderen Dicke-Fische-CD: „Uns geht‘s gut“. Das zieht sich durch die Markdorfer Musiknacht, bei der alles passt.

Händel einmal ganz anders

Gut gehen lassen es sich freilich die Fans von Rock – ob hart oder doch eher balladesk, die Fans von Pop, von Funk, Country oder Jazz und sogar die Freunde von geistlicher Musik an vielen Orten in der Stadt. Schließlich ist Markdorfer Musiknacht. In diesem Jahr gut verteilt auf zehn Lokalitäten, wovon nur sieben Lokale im engeren Sinne sind. Anders als die Tanzfabrik, anders als die Mittlere Kaplanei.

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Auch die St.-Nikolaus-Kirche ist eine besondere Location. Hier gestalten Mitglieder des Kirchenchors den Auftakt zur Musiknacht – mit dem Rockoratorium „Eversmiling Liberty“, einer Komposition von zwei dänischen Komponisten, bei der allenfalls beim zweiten Hinhören die musikalischen Anleihen beim Judas-Makkabäus-Oratorium von Georg Friedrich Händel hörbar sind. Abgesehen vom Halleluja. Auch abgesehen von einigen sehr weihnachtlich klingenden Tonfolgen. Die wiederum passten gut zum Publikumsandrang im Kirchenschiff, der sich sonst nur bei den Hochfesten erleben lässt.

Mit Händel abrocken: Das Kirchenchor-Ensemble singt ein Rockoratorium.
Mit Händel abrocken: Das Kirchenchor-Ensemble singt ein Rockoratorium. | Bild: Jörg Büsche

„Tolle Atmosphäre, tolle Musik“, schwärmt Jürgen Malzer beim Herausgehen. Doch nicht nur bei ihm kommen die fetten Sounds von E-Gitarre und Schlagzeug sehr gut an, die neben dem E-Piano von Chorleiter Johannes Tress den instrumentalen Hintergrund prägten für die Gospel, für die Rock-Balladen und die Barock-Zitate des Chors. Fabelhaft sind die drei Solistinnen Sabine Herzog, Daniela Weiss und Verena Westhäußer. Aber um ihn nicht zu vergessen: Johannes Tress war bei seinen Gesangseinlagen nicht minder fabelhaft bei Stimme.

Renate Wohlhüter genießt den Auftakt-Auftritt der Kirchenmitglieder. Sie und ihr Mann Roland Wohlhüter hoffen auf eine Wiederholung bei der nächsten Musiknacht. „Ich finde es gut“, erklärt Roland Wohlhüter, „dass sich die Kirche auch für solche Musik öffnet“.

Renate und Roland Wohlhüter genießen die Musiknacht.
Renate und Roland Wohlhüter genießen die Musiknacht. | Bild: Jörg Büsche

Lieber schwarz sehen

Ausnahmsweise geöffnet war am Samstagabend auch die ehemalige Post. Dorthin hatte der Markdorfer Vermessungstrupp die Band Popp Deluxe eingeladen. Und wer dort erlebt hat, mit wie viel Druck „Paint It, Black“ von den Stones geboten wurde, der wird beim Wort „Post“ nie wieder an Gelb denken – ebenso wenig wie an Posthornsignale, sondern ans melancholische Sitar-Intro des Stones-Hits.

„Paint It, Black“ in der ehemaligen Post: Popp Deluxe lässt die Stones blass aussehen.
„Paint It, Black“ in der ehemaligen Post: Popp Deluxe lässt die Stones blass aussehen. | Bild: Jörg Büsche

Eine Stadt voller Ohrwürmer

Rolling-Stones-Musik im ehemaligen Postgebäude, Dire-Straits-Klänge in der „Krone“ – dort gecovert von der Sean Tracy Band, erdig-herbe Töne im „Ulrich 5“, wo die One-More-Band auf satte Beats setzt. Ebenso erdig und herb geht es in der „Turmstube“ zu – mit Two Rocks. Der Name sagt schon alles. Ein paar Meter weiter bringen Atze und Kurt das „Mojo“ zum Toben – zum Beispiel mit „Seven Nation Army“ von The White Stripes. Sie sind nur zu zweit, doch die Stimmung im „Mojo“ scheint sie zu beflügeln. Wie groß aber der Anteil des Erzeugens und wie groß der Anteil des Getragenwerdens ist, das lässt sich im „Mojo“ ebenso wenig beantworten wie in der Mittleren Kaplanei. Dort heizen Gianni Dato und The Blue Tone ein. Sie rocken und jazzen, dass ihr Publikum vor Freude strahlt.

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