Wenn Landschaftspfleger Gerhard Weyers Feierabend macht, geht er Bäume schneiden. Die Natur, die Vielfalt an Kulturpflanzen sowie der Schutz von Arten liegen dem Owinger so sehr am Herzen, dass er damit auch seine Freizeit füllt. Dabei lässt er sich auch nicht von Temperaturstürzen und dunklen Regenwolken beeindrucken. Auf die richtige Kleidung kommt es an, das passende Werkzeug hat er sowieso.

Weyers steht auf einer sogenannten Einholmleiter und sägt Äste ab. Das sehe wackeliger aus, als es ist, betont der Profi. Auch die Tatsache, dass der Apfelbaum, eine Zabergäu-Renette, schon blüht, wäre kein Problem. „Obstbäume schneiden kann man das ganze Jahr“, sagt Gerhard Weyers.

Gerhard Weyers pflegt auf der einer Fläche von zwei Hektar allein 120 Apfelsorten. Dazu kommen noch Birnen- und Kirschbäume.
Gerhard Weyers pflegt auf der einer Fläche von zwei Hektar allein 120 Apfelsorten. Dazu kommen noch Birnen- und Kirschbäume. | Bild: Sabine Busse

Eine Vielzahl an Obstarten

Der Baum steht auf einer zwei Hektar großen Fläche am Gischberg unterhalb von St. Leonhard, die Gerhard Weyers seit 1998 gepachtet hat. Hier wachsen 120 Apfelsorten – vom Andersleber Kalvill bis zur Zuccalmaglio Renette. Von den meisten gibt es hier nur ein oder zwei Exemplare. Dazu kommen noch 35 Birnen- und 25 Kirschsorten. „Ich sammle Obstarten“, sagt der gelernte Landwirt schmunzelnd. Dieses besondere Hobby betreibt er mit großem Fachwissen und viel Eigenarbeit.

Die Obstbäume stehen auf einer Fläche unter St. Leonhard mit traumhaftem Ausblick.
Die Obstbäume stehen auf einer Fläche unter St. Leonhard mit traumhaftem Ausblick. | Bild: Sabine Busse

Dabei macht er aus seiner Enttäuschung über die Reglementierung von Flächen wie dieser und den Förderkriterien keinen Hehl. Der Obstanbau gehöre zusammen mit dem Weinanbau zu den intensivsten Dauerkulturen Mitteleuropas. Lange wäre die Mehrfachnutzung der Flächen für Bauern von existenzieller Bedeutung gewesen.

Er könne sich noch daran erinnern: Auf der Wiese weideten die Tiere unter den Obstbäumen, die Früchte und Holz lieferten. Mit der Klassifizierung von Streuobstwiesen sei das ad absurdum geführt worden, meint Weyers. Die unter Schutz stehenden Streuobstwiesen dürfen nur extensiv betrieben werden. Das ist nicht sein Ansatz, er möchte Sorten- und Artenvielfalt sowie eine gute Obsternte.

Das könnte Sie auch interessieren

Weyers will Naturschutz mit Nutzung verbinden

Auf die Frage, ob er die Bäume spritze und dünge, antwortet er: „Ja, natürlich! Deswegen habe ich hier so viele Pflanzenarten.“ Im Jahr 2022 hat er hier im Sommer 280 davon gezählt, mehr als die meisten Streuobstwiesen vorweisen könnten, meint er. Um der Klassifizierung und den damit einhergehenden Auflagen zu entgehen, habe er sogar eigens Niederstammbäume gepflanzt. Weyers will Naturschutz mit Nutzung verbinden. Er hält viele Regeln für kontraproduktiv, da selten Leute mit Ahnung die Vorschriften machten, fügt er an.

Der Schnitt der Bäume sei nur etwas für Fachleute, meint Gerhard Weyers.
Der Schnitt der Bäume sei nur etwas für Fachleute, meint Gerhard Weyers. | Bild: Sabine Busse

Nach seiner Intention gefragt und warum er das alles macht, sagt Gerhard Weyers: „Ich habe den Traum von einer Welt, in der wir alle gut leben können. Das ist meine Botschaft, das macht Spaß!“ Er hält es für einen rein ideologisch begründeten „Grundirrtum“, dass die Menschen mit ihren Bedürfnissen ein Gegensatz zur Natur sind. Mit dem Projekt auf dem Gischberg will Weyers etwas schaffen, dass ihn womöglich überdauert und woran sich jeder erfreuen kann.

Bäume mieten gegen Jahresgebühr

Menschen einzubeziehen ist ihm ein Anliegen, aber auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Sein Engagement für die Natur koste nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld, sagt Weyers. So kam er auf die Idee, Bäume zu vermieten. Er nennt sein Konzept bewusst nicht Patenschaft, das sei ein anderes Modell. Die Mieter können sich einen Baum oder mehrere aussuchen und zahlen je nach Größe 40 bis 100 Euro im Jahr.

Bei gutem Wetter können die Besucher der Obstbäume den Bodensee und die Gipfel von Säntis und Altmann sehen.
Bei gutem Wetter können die Besucher der Obstbäume den Bodensee und die Gipfel von Säntis und Altmann sehen. | Bild: Gerhard Weyers

Alle Bäume sind mit einer Nummer gekennzeichnet, sodass es keine Verwechslungen gibt. Den Schnitt und die Pflege übernimmt Weyers, das sei Arbeit für einen Fachmann. „Der Umgang mit einem so großen Lebewesen ist eine komplexe Sache!“, betont der Landschaftspfleger.

Ausflüge zur Obstwiese als Erlebnis

Die Mieter können ihren Baum jederzeit besuchen, es sich darunter bequem machen und natürlich die Früchte ernten. Das wäre gerade für Familien mit Kindern eine tolle Sache, weiß Gerhard Weyers aus Erfahrung. Im Sommer will er mit einer Sitzecke und einer Feuerstelle für mehr Aufenthaltsqualität sorgen und den Ausflug zur Obstwiese zum Erlebnis machen.

Die Genuss-Mieter können ihre eigenen Früchte ernten und ihnen so oft sie wollen beim Wachsen zusehen.
Die Genuss-Mieter können ihre eigenen Früchte ernten und ihnen so oft sie wollen beim Wachsen zusehen. | Bild: Sabine Busse

Wer Glück hat, trifft beim Besuch seines Baumes auf den Pächter der Fläche. Mit ihm über die Wiese zu gehen, ist hochinteressant. Weyers bleibt dauernd stehen, bückt sich und legt noch recht zarte Pflänzchen frei. „Das ist eine Mariendistel und hier wächst das Herzgespann, das kennen alle mit Herzproblemen. Und hier die wilde Kugeldistel. Da, die echte Schlüsselblume blüht auch schon.“