Der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist nach Angaben der Gefängnisbehörden gestorben. Der prominenteste Kremlkritiker Russlands starb am Freitag in der Strafkolonie in der russischen Polarregion, wie die Strafvollzugsbehörde FSIN mitteilte. Die Gründe für seinen Tod würden untersucht, hieß es weiter.

Nawalny „fühlte sich nach einem Spaziergang schlecht und verlor fast unverzüglich das Bewusstsein“, erklärte die Behörde. Medizinisches Personal sei sofort zur Stelle gewesen, auch sei ein Krankenwagen gerufen worden. „Es wurden Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt, die keine positiven Ergebnisse brachten“, gab FSIN weiter an.

Putins schärfster innenpolitischer Kritiker

Der russische Präsident Wladimir Putin sei über den Tod des Oppositionellen „informiert“ worden, erklärte ein Kreml-Sprecher. Das Team des Oppositionellen hingegen erklärte, über Nawalnys Tod nicht unterrichtet worden zu sein. Ein Anwalt begebe sich zu dem Gefängnis, hieß es.

Nawalny galt als Putins schärfster innenpolitischer Kritiker. Nach einem Giftanschlag, für den er den Kreml verantwortlich macht, war er zu seiner Behandlung nach Deutschland ausgereist. Auch in Ibach im Südschwarzwald verbrachte er einige Wochen. Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück und wurde sofort verhaftet.

Gemäß einem im Sommer gegen ihn ergangenen Urteil musste Nawalny seine Strafe in einer Kolonie mit schärferen Haftbedingungen verbringen. Diese sind üblicherweise nur für lebenslänglich Verurteilte und besonders gefährliche Gefangene vorgesehen.

EU macht „russisches Regime“ verantwortlich für Tod Nawalnys

Die Europäische Union (EU) macht das „russische Regime“ verantwortlich für den Tod des Oppositionellen Alexej Nawalny. Nawalny habe „für seine Ideale das ultimative Opfer“ gebracht, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel im Onlinedienst X. „Die EU hält das russische Regime für alleinverantwortlich für diesen tragischen Tod.“

Scholz: Nawalny hat seinen Mut „bezahlt mit seinem Leben“

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich erschüttert über die Nachricht vom Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny geäußert. Der Kreml-Kritiker habe offenbar seinen Mut „bezahlt mit seinem Leben“, sagte Scholz in Berlin.

Nawalny-Sprecherin: Haben noch keine eigene Todesbestätigung

Das Team des inhaftierten russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hat nach eigenen Angaben noch keine direkte Bestätigung seines Todes erhalten. Das schrieb seine Sprecherin Kira Jarmysch im Portal X (früher Twitter).

Bislang gebe es nur die allgemeine Mitteilung des Justizvollzugssystems im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen über den Tod Nawalnys im Straflager, sagte sie. Nawalnys Anwalt sei unterwegs in das Lager IK-3 in dem Ort Charp nördlich des Polarkreises. „Sowie wir Informationen haben, werden wir berichten“, schrieb Jarmysch.

Selenskyj: Putin muss für Nawalnys Tod zur Rechenschaft gezogen werden

Nach der Nachricht vom Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Rechenschaft zu ziehen. Der russische Staatschef müsse „für seine Verbrechen bezahlen“, sagte Selenskyj bei seinem Besuch in Berlin im Beisein von Bundeskanzler Scholz.

Bild 1: Behörden: Russischer Oppositionspolitiker Nawalny in Haft gestorben – schockierte Reaktionen der Politik
Bild: Michael Kappeler

Selenskyj geht davon aus, dass der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny getötet wurde. Es sei sehr bedauerlich, dass Nawalny in einem russischen Gefängnis gestorben sei, sagte Selenskyj laut offizieller Übersetzung bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz. Es ist für mich offensichtlich: Er wurde getötet. Wie andere Tausende, die zu Tode gequält wurden wegen dieses einen Menschen.“

„Putin ist es egal, wer sterben wird. Hauptsache, er bleibt bei seiner Position“
Präsident Wolodymyr Selenskyj

„Und deshalb sollte er auch alles verlieren. Er sollte verlieren, er sollte alles verspielen, und er sollte dann auch zur Verantwortung gezogen werden für die Verbrechen.“

Putin „wie ein Mafia-Pate“

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Michael Roth (SPD), schrieb am Freitag auf X, Russlands Präsident Wladimir Putin handele „wie ein Mafia-Pate, ganz in der Tradition Stalins: Hin und wieder ein Auftragsmord, um kritische Geister, die seine Allmacht infrage stellen, einzuschüchtern“. Russland sei eine Diktatur aus dem Lehrbuch.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach nannte Nawalny auf X einen Helden. „Durch seinen Widerstand hat er früh der Welt klargemacht, dass Putin ein rücksichtsloser Verbrecher im Amt ist.“

Die Vizepräsidentin des Bundestags, Katrin Göring-Eckardt, schrieb auf X: „Was für ein mörderisches System. Nawalny war Putins Angstgegner.“ Er habe für ein Russland gestanden, in dem Meinungen frei und Wahlen fair seien. Grünen-Chef Omid Nouripour schrieb auf X: „Sein Mut lebt weiter in den Menschen, die sich gegen die russische Diktatur stellen.“

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen bezeichnete Nawalnys Tod auf X als „schrecklich und traurig“. Nawalny sei „ein großer Mann mehr, den Putin auf dem Gewissen hat.“

Habeck: Regime Putin hat Nawalny auf dem Gewissen

Vizekanzler Robert Habeck hat bestürzt auf den Tod von Nawalny reagiert. „Alexander Nawalnys Tod erschüttert mich bis ins Mark“, sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister am Freitag. „Das Regime Putin hat ihn auf dem Gewissen.“

Habeck sagte, Nawalny habe sein Leben verloren in seinem Einsatz für ein besseres Russland. „Er war ein Patriot, der sich für Demokratie und den Rechtsstaat einsetzte und sein Land und die Menschen dort liebte. Mehr als sein eigenes Leben.“

Trotz Lebensgefahr sei er nach Russland zurückgekehrt, so Habeck. „Meine Gedanken sind jetzt bei seiner Frau Julija Nawalnaja und allen, die wie Alexander Nawlny für ein freies Russland kämpfen.“

Von der Leyen „zutiefst beunruhigt und traurig“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist „zutiefst beunruhigt und traurig“ über den Tod von Nawalny. „Eine düstere Erinnerung daran, worum es (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin und seinem Regime geht“, schrieb von der Leyen auf der Plattform X (ehemals Twitter). Der Kremlchef fürchte nichts mehr als die Meinungsverschiedenheiten seines eigenen Volkes. „Lassen Sie uns gemeinsam kämpfen, um die Freiheit und Sicherheit derjenigen zu schützen, die es wagen, sich gegen die Autokratie zu wehren“, so von der Leyen.

Merkel: Nawalny wurde Opfer der repressiven Staatsgewalt Russlands

Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel lastet den Tod des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny dem russischen Staat an. „Er wurde Opfer der repressiven Staatsgewalt Russlands. Es ist furchtbar, dass mit ihm eine mutige, unerschrockene und sich für sein Land einsetzende Stimme mit fürchterlichen Methoden zum Verstummen gebracht wurde“, erklärte die CDU-Politikerin in Berlin. „Meine Gedanken sind bei seiner Frau, seinen Kindern, seinen Freunden und seinen Mitarbeitern.“

Merz: „System Putin zeigt menschenverachtendes Gesicht erneut“

Nach dem Tod Nawalnys hat CDU-Bundeschef Friedrich Merz der russischen Staatsführung um Präsident Wladimir Putin die Verantwortung zugewiesen. „Das System Putin hat sein menschenverachtendes Gesicht erneut gezeigt“, erklärte der Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion im Onlinedienst X. Die Todesnachricht erfülle ihn „mit großer Trauer“. Seine Gedanken seien bei Nawalnys Familie. „Wir werden Alexej Nawalny nicht vergessen“, erklärte Merz.

Russische Medien veröffentlichen Video von kürzlichem Nawalny-Auftritt

Kurz nach der Nachricht über den Tod des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny haben unabhängige russische Medien ein Video veröffentlicht, das den Oppositionellen während eines Gerichtstermins am Donnerstag zeigen soll.

Nur einen Tag vor seinem Tod habe Nawalny den Umständen entsprechend noch „fröhlich, gesund und munter“ gewirkt, schrieben etwa die Journalisten des Kanals „Sota“ am Freitag auf Telegram. Dazu zeigten sie einen rund 30 Sekunden langen und tonlosen Clip, auf dem zu sehen ist, wie Nawalny spricht und lächelt. Er war demnach per Videoschalte in den Gerichtssaal zugeschaltet.

Nawalny, der im Jahr 2020 nur knapp einen Giftanschlag überlebt hatte, klagte zwar immer wieder über gesundheitliche Probleme und Schikane im Straflager. Bei den zahlreichen Gerichtsterminen, die auch nach seiner Inhaftierung weitergingen, sah man ihm die Strapazen zwar an, er trat aber demonstrativ stets munter auf.

(AFP / dpa)