Frau Siranossian, Sie sind beim kommenden Bodensee-Festival artist in residence. Welche Beziehung haben Sie zum Bodensee?

Ich habe zwei Jahre in der Nähe vom Bodensee gelebt, als ich Konzertmeisterin im Sinfonieorchester St. Gallen war. Ich habe sehr schöne Erinnerungen an eine Bootsfahrt mit meinen Großeltern. Und war sehr häufig auf dem Säntis zum Bergsteigen.

Sie sind in insgesamt sieben Konzerten mit fünf unterschiedlichen Programmen und Besetzungen zu hören. Konnten Sie wählen, mit welchen Werken und mit welchen Menschen Sie sich beim Festival präsentieren?

Ich konnte mich stark mit meinen Wünschen einbringen. Mit meinem Klavierpartner Benjamin Engeli, mit dem ich das Konzert im Neuen Schloss in Meersburg am 12. Mai spiele, habe ich zusammen in Zürich studiert. Wir sind gute Freunde. Das Konzert mit meiner Schwester Astrig am 18. Mai im Schloss Achberg und das armenische Programm am 16. Mai im Ravensburger Konzerthaus waren auch Herzenswünsche von mir. Und natürlich freue ich mich auf die Eröffnungskonzerte mit dem Bruckner Orchester Linz.

Ihre vier letzten Alben spielten Sie auf der Barockvioline. Beim Eröffnungskonzert mit dem Bruckner Orchester Linz unter Markus Poschner sind Sie bei Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert in e-Moll auf einer modernen Violine zu hören. Ist es nicht schwierig, zwischen dem Instrumentarium zu wechseln?

Nein. Bei meinem Solo-Rezital in der Klosterkirche Münsterlingen am 9. Mai spiele ich sogar beide Instrumente in einem Konzert. Es sind verschiedene Welten, zwischen denen ich mich gerne hin und herbewege. Das Barockinstrument hat Darmsaiten und ist anders gestimmt. Auch die Bögen sind natürlich unterschiedlich. In der Barockzeit haben die Musiker häufig verschiedene Instrumente gespielt – auch mal Oboe, Violine oder Flöte.

Was spielen Sie lieber? Barockvioline oder moderne Violine?

Da kann ich nicht sagen. Wenn Sie mich fragen, ob ich Französin, Armenierin oder Schweizerin bin, kann ich das auch nicht sagen. Ich bin alles drei. Bei der Violine ist das ähnlich. Italienische Barockmusik spiele ich schon besonders gerne. Aber gerade der Wechsel ist für mich reizvoll.

Nur wenige Geiger sind auf dem barocken und einem modernen Instrument gleichermaßen versiert.
Nur wenige Geiger sind auf dem barocken und einem modernen Instrument gleichermaßen versiert. | Bild: Tashko Tasheff

Sie sind in Lyon geboren, haben armenische Vorfahren und leben schon lange in der Schweiz. Wo ist Ihre Heimat?

Ich lebe seit zwanzig Jahren in der Schweiz. Auch als Kind war ich oft dort, weil ich bei Tibor Varga in Sion Unterricht hatte. Die Schweiz ist mein Lebensmittelpunkt, auch wenn ich oft in Frankreich und ab und zu auch in Armenien bin.

Auf Ihrer Website sind Sie im Abendkleid mit einer Violine in der Hand auf einem Berggipfel zu sehen. Ist das Foto echt oder Fotomontage?

Natürlich echt. Bergsteigen ist eine große Leidenschaft von mir. Ich habe auch schon auf dem Mont Blanc Violine gespielt. 2020 war ich noch auf dem Matterhorn, bevor ich zum ersten Mal schwanger wurde.

Was gefällt Ihnen am Bergsteigen?

Die Freiheit. Der Kontakt zur Natur. In den Bergen ist man weg vom Lärm, weg von den Menschen. Diese Stille genieße ich sehr. Bergsteigen ist für mich auch eine Art Meditation – zurück zu meinen Wurzeln. Mit zwei kleinen Kindern muss ich noch darauf verzichten, aber irgendwann kann ich sie mitnehmen in die Berge. Und im Rucksack sind sie jetzt schon dabei bei kleineren Touren.

Welche Verbindungen sehen Sie zwischen Geigespielen und Bergsteigen?

Wenn ich mich stundenlang in der Natur bewege, kommen mir die besten musikalischen Ideen. Diese frische Luft tut mir einfach gut. Alleinsein in der Natur ist wirklich eine große Inspiration für mich. Musik heißt auch immer, eine Geschichte zu erzählen. Nach einer Bergtour habe ich viel neue Seelenkraft – das tut meinem Musizieren gut.

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Das letzte Konzert im Rahmen des Festivals geben Sie am 18. Mai im Schloss Achberg gemeinsam mit Ihrer Schwester, der Cellistin Astrig Siranossian. Ist es leichter oder schwieriger, mit der eigenen Schwester zu spielen?

Beides. Leichter ist es, weil wir uns so gut kennen und uns auch wunderbar ergänzen. Aber wir sind auch gegenseitig die größten Kritikerinnen und in den Proben besonders streng zueinander.

Was bedeutet Ihnen Familie?

Alles. Ich kann heute auf die Bühne gehen, weil ich meine Familie habe, die mich unterstützt. Ich bin immer unterwegs mit meinen beiden Kindern. Ich bin auch aufgewachsen mit einer sehr großen Familie. Wenn wir ein Familienfest feiern, sind wir schnell über hundert Personen.

Auf welches Ihrer Konzerte freuen Sie sich besonders beim Festival?

Jedes Konzert zeigt eine andere Facette von mir und erzählt eine andere Geschichte. Deshalb freue ich mich wirklich auf jedes einzelne.

Das Bodenseefestival startet am Samstag, 27. April, und läuft bis zum 20. Mai. Weitere Informationen zum Programm: www.bodenseefstival.de