Wo mache ich meine Kreuze bei der Wahl für den Gemeinderat? Vor dieser Frage stehen die Wähler wieder am 9. Juni. Um die Entscheidung vorausschauend zu treffen, hilft oft der Blick zurück. Was haben die Parteien und Wählervereinigungen bewirkt, wo sind sie mit der Umsetzung ihrer Wahlversprechen gescheitert?

Wir haben die Fraktionen im Gemeinderat Villingen-Schwenningen angeschrieben und ihnen jeweils die identischen Fragen gestellt. Die Antworten haben wir redaktionell bearbeitet.

Was war die wichtigste Debatte für Ihre Fraktion?

Für die Sozialdemokraten (SPD) gab es zwischen 2019 und 2024 nach eigener Einschätzung einige wichtige Diskussionsthemen für die Fraktion. „Die Abgabe des Jugendamtes und der Schulentwicklungsplan, sind sicher zwei bedeutende Debatten gewesen“, schreibt Fraktionsvorsitzender Nicola Schurr dazu. „Jedoch auch die Debatten um die Haushaltsaufstellung sind für uns immer sehr wichtig und herausfordernd.“

Vorsitzender Nicola Schurr bewertet die Diskussionen innerhalb der SPD-Fraktion als immer respektvoll und auf Augenhöhe.
Vorsitzender Nicola Schurr bewertet die Diskussionen innerhalb der SPD-Fraktion als immer respektvoll und auf Augenhöhe. | Bild: SPD BW

Welches Thema führte innerhalb Ihrer Fraktion zu den heftigsten Diskussionen?

In diesem Themenfeld gab es offenbar auch die größte Reibung innerhalb der Gemeinderatsfraktion. „Die Abgabe des Jugendamtes wurde in unserer Fraktion sehr stark diskutiert. Ebenfalls bei dem Schulentwicklungsplan haben wir sehr heftig diskutiert“, blickt Schurr zurück. „Jedoch immer respektvoll und auf Augenhöhe“, verweist der Vorsitzende auf einen konstruktiven Austausch unter den Genossen.

Wo lagen für Ihre Fraktion die Schwerpunkte in den vergangenen fünf Jahren?

Sicherlich ist ein Gemeinderat eine Art Gemischtwarenladen, bei dem die Mitglieder über höchst unterschiedliche Themen im Auftrag der Bürger entscheiden müssen. Dennoch zeigen sich bei den einzelnen Fraktionen häufig Schwerpunkte der politischen Tätigkeit. Wo lagen diese bei der SPD seit der Wahl 2019? Nicola Schurr zählt auf: „Frühkindliche Bildung (Ausbau der KiTa-Plätze), Wohnbaukonzept für bezahlbaren Wohnraum, Mobiltätskonzept für die Stadt VS.“

Auch hier taucht wieder die frühkindliche Bildung auf. Der starke Fokus auf Bildung und Erziehung verwundert allerdings nicht. Vorsitzender Schurr ist von Beruf Erzieher.

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Was war der größte Erfolg für Ihre Fraktion?

Zu ihren größten Erfolgen in der vergangenen Legislaturperiode zählt die SPD-Fraktion die Beibehaltung der Ortschaftsschulen. 2022 standen sie Standorte in Tannheim, Rietheim und Weilersbach auf der Kippe, bis sich der Gemeinderat im September für den Erhalt aussprach. In der Diskussion hatten sich SPD. FDP und AfD klar für die kleinen Schulen positioniert.

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Als weitere Erfolge verbucht die SPD für sich die Diskussion „jetzt“ über ein Wohnbaukonzept sowie die Beibehaltung der Planung Oberer Brühl mit bezahlbaren Wohnraum. In der Sitzung am 15. Januar 2024 hatte die Fraktion den Antrag gestellt, dass die Stadtverwaltung ein Wohnbauentwicklungskonzept erarbeiten soll. Ziel sei es, einen „sozialen Mix im Wohnungsmarkt zu erlangen“. Angelehnt an das Ulmer Modell soll auf jeder bebauten Fläche mindestens 30 Prozent bezahlbarer Wohnraum entstehen.

Die SPD präsentiert nach eigenen Angaben eine ausgewogene Liste für die Kommunalwahl am 9. Juni. Das Bild aus dem Februar 2024 zeigt ...
Die SPD präsentiert nach eigenen Angaben eine ausgewogene Liste für die Kommunalwahl am 9. Juni. Das Bild aus dem Februar 2024 zeigt einen Teil der Kandidaten. | Bild: Jonas Fehlinger 

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Was war die größte Niederlage?

Als größte Niederlage sieht die SPD die Gebühren von Kindertagesstätten an. „Wir stehen weiterhin für kostenlose Kitas“, stellt Nicola Schurr klar. Im Juli 2021 wurde stattdessen die schrittweise Anhebung der Kindergartengebühren über fünf Jahre hinweg beschlossen.

Wo sieht Ihre Fraktion noch dringenden Handlungsbedarf, den sie in den vergangenen Jahren nicht durchsetzen konnte?

Als Antwort fasst der Vorsitzende eine längere Liste zusammen. Darauf zu finden ist erneut das Thema mehr bezahlbarer Wohnraum. „Hier müssen wir besonders unsere WBG finanziell unterstützen und mit Wohnbaugesellschaften arbeiten“, schreibt Schurr.

Mit sechs Stadträten ist die SPD im Gemeinderat VS vertreten.
Mit sechs Stadträten ist die SPD im Gemeinderat VS vertreten. | Bild: SK

Weiterhin habe die SPD den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs auf dem Zettel. Dabei solle es wieder zurückgehen zum Halb-Stunden-Takt und kostenlosen Fahrten am Wochenende. Zudem wolle die SPD weiter am Mobilitätskonzept VS arbeiten und mehr Begegnungsorte für Jugendliche und junge Erwachsene schaffen.

Ein weiteres Ziel sei die „Schwamm- und Schattenstadt VS“. Gemeint ist die bessere Speicherung von Regenwasser für trockene Perioden. In der Kulturlandschaft soll VS-Schwenningen als Schwerpunkt etabliert werden, Stichwort: Ersatz für das Bürk-Areal. Außerdem sieht die SPD Handlungsbedarf bei der Schulsozialarbeit und in der mobilen Jugendhilfe.

Welche Themen brachte die Fraktion selbst auf die Agenda?

Die SPD hat, nach eigenen Angaben, aber noch verschiedene weitere Themen im Gemeinderat auf die Agenda gebracht. So verbucht die Fraktion für sich die Debatten um ein Mobilitätskonzept und die Fortentwicklung einer Sport- und Freizeitanlage am Klosterhof. Außerdem stamme von der SPD der Vorschlag, die Stadt zu einem sicheren Hafen für Flüchtlinge zu machen.

Wo würden sie sparen im Haushalt, und wo auf keinen Fall?

Weitreichende Pläne für die Stadt haben meist einen Haken: Sie kosten viel Geld. Wo würde die SPD-Fraktion, um ihre Ziele zu erreichen, eigentlich im Haushalt sparen und wo auf keinen Fall? Da positioniert sich Nicola Schurr ganz deutlich. „Im Bereich Kita und Schule darf weiterhin nicht gespart werden.“ Der Rückstau der sich über viele Jahre angestaut habe, müsse abgearbeitet werden. „Daher darf hier kein Geld gestrichen werden“, fordert der Vorsitzende.

„Wo wir kein Geld ausgeben dürfen, lässt sich pauschal nicht sagen“, räumt er ein. Jedoch müsse die Verwaltung besser in der Bearbeitung und in der Abarbeitung von Vorhaben werden, findet Schurr. „Dann sparen wir viel Geld, das dann woanders zur Verfügung steht.“

Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister? Wie mit dem Baubürgermeister?

Angesichts dieser deutlichen Kritik an der Arbeit der Verwaltung, bleibt dennoch eine überraschende Erkenntnis bei der Frage, wie die Fraktion den Austausch mit dem Oberbürgermeister und Baubürgermeister in den vergangenen fünf Jahren empfunden hat.

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„Die Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister und dem Bürgermeister sind gut und offen“, lautet die Einschätzung von Nicola Schurr. „Jedoch muss bei gewissen Themen besser kommuniziert und gearbeitet werden“, schränkt er ein. Das gelte nicht nur für den Dialog mit den Stadträten, sondern vor allem dem Austausch mit den Betroffenen und den Bürgern.

„Von unserem Baubürgermeister wünschen wir uns mehr Elan“, heißt es von der SPD-Fraktion. Für diese Kritik gibt es auch einen konkreten Anlass: „Schließlich hat er ein Konzept vorgestellt bei der Wiederwahl. Von diesem Konzept sieht und hört man nichts“, schreibt Schurr.

Welche drei Themen sind für die Fraktion in der kommenden Legislaturperiode wichtig?

  • Schule und Frühkindliche Bildung (Kitas): Als erste Aufgabe für die kommenden fünf Jahre nennt die SPD diese Themen. Und in der Tat fehlen jedes Jahr hunderte Betreuungsplätze in der Stadt, was vielen Müttern und Vätern den Wiedereinstieg in den Beruf nach der Elternzeit erschwert. Ein Problem auch für die Arbeitgeber in Villingen-Schwenningen. Die laufenden und noch ausstehenden Sanierungen der Schulen erweisen sich als Mammutaufgabe.
  • Bezahlbarer Wohnraum: Günstige Wohnung sind in Villingen-Schwenningen rar gesät. Große Hoffnung wurde in den Sozialwohnungsbau auf dem ehemaligen Kasernengelände Oberer Brühl gesetzt – 126 bezahlbare Wohnungen wollte die Stadt dort schaffen. Für das Projekt wurde jedoch kein Großinvestor gefunden.
  • Wirtschafts- und Handelsstandort VS: Wie genau die SPD den Wirtschaftsstandort fördern oder entwickeln möchte, definiert sie in ihrer Antwort nicht. Immerhin zählt das Thema für die Fraktion aber zum Top-Reigen an Aufgaben für die kommende Legislaturperiode.