Management mit Wirkung: Zwei Waldrapp-Attrappen samt künstlichem Nest wurden in eine große Felsnische am Katharinenfels in Überlingen platziert. Und das hat auf die zurückkehrenden Brutvögel die erhoffte Anziehung ausgeübt, denn inzwischen balzen und übernachten in der Nische bereits sieben Waldrappe.

Die Waldrappe fühlen sich in der Felsnische sichtlich wohl.
Die Waldrappe fühlen sich in der Felsnische sichtlich wohl. | Bild: Harald Böttger

Die Hoffnung ist groß, dass die Vögel dort auch bald zu brüten beginnen, heißt es vom Waldrapp-Team. Drei Jahre hat es gedauert, bis die Vögel nun endlich diese Nische des Katharinenfels am Bodenseeufer annehmen. Nun scheint sich der langersehnte Erfolg einzustellen.

Somit kehren die Waldrappe in jene Felswand zurück, in der gemäß historischen Überlieferungen bis vor 400 Jahren Waldrappe gebrütet haben. Überlingen wird damit zum zweiten Standort, an dem die Besiedelung einer Felswand gelungen ist. In Kuchl im Land Salzburg brüten die Waldrappe bereits seit Jahren in einer Konglomerat-Felswand am Georgenberg. Nun zeichnet sich also auch in Überlingen ein Durchbruch ab, der bedeuten würde, dass die Vögel eine selbständige Population bilden, die nicht mehr von Menschenhand geführt werden muss.

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Berthold: „Hoch interessante Vogelart“

Der 85-jährige Ornithologe Professor Peter Berthold (Vogelwarte Radolfzell) bezeichnet den Waldrapp als „hoch interessante Vogelart“. Ihm ist es zu verdanken, dass das Projekt in Überlingen siedelte. „Ich liebe die Waldrappe heiß und innig und ich wusste, dass Dr. Fritz (der Leiter des Wiederansiedlungsprojekts) weitere Plätze gesucht hat.“ So habe er ihm die Felswand in Überlingen vorgeschlagen. „Wenn es jetzt klappt und sie brüten, ist ein Grundstein gelegt“, sagte Berthold.

Waldrapp im globalen Zusammenhang

Er betrachtet das Programm in einem globalen Zusammenhang und hält die Kosten für das Projekt für „nicht sehr hoch“ und in jedem Fall für gerechtfertigt: „Wenn es gelingen sollte, die Waldrappe von der Schwelle des Todes zurückzuholen, dann wäre das ein Meilenstein.“ Es handle sich bei dem Vogel „um ein lebendes Denkmal, das durch nichts ersetzt werden könnte und als Schaltstelle im Ökosystem unerlässlich ist“.

Peter Berthold: „So etwas ist auch beim Waldrapp denkbar.“
Peter Berthold: „So etwas ist auch beim Waldrapp denkbar.“ | Bild: Marinovic, Laura

Jede Art habe „irgendwo eine wichtige Funktion im Ökosystem“, ist Berthold überzeugt und nennt das Beispiel Glattwale in Nordamerika. „Dort, wo sie verschwinden, nehmen auch andere Fische und Garnelen ab.“ Grund sei, dass die Wale im Wasser einen speziellen Dünger erzeugten, von dem sich eine Reihe Algen ernährte, die wiederum Futter für Krebstiere waren und damit die Population ernährten. Berthold: „So etwas ist auch beim Waldrapp denkbar.“

Kormoran als Sündenbock?

In der Diskussion um den Rückgang des Felchenbestands im Bodensee vertritt Berthold eine klare Haltung: Als „ein Ding der Unmöglichkeit“ bezeichnet er Überlegungen, den See zu düngen. Das Algenwachstum würde damit zwar beschleunigt. „Das wird aber den Fischen nicht helfen. Dass wir keine Felchen mehr haben, liegt daran, dass der See zu warm ist.“ Der Eintrag von Sauerstoff in die Tiefe, wo sich die Felcheneier entwickeln würden, finde nicht mehr statt. Der Kormoran sei nun als Sündenbock auserkoren worden, was in Bertholds Augen den Falschen trifft. „Felchen leben in einer relativ tiefen Zone, die schwer zu bejagen ist. Über den Felchen sitzen die kleineren Weißfische. Der Kormoran wäre der dümmste Vogel, wenn er sich auf Felchen spezialisieren würde.“

Erste Küken sollen bald schlüpfen

Derweil sind auch die Vorbereitungen für die neuerliche Handaufzucht der nächsten Generation Waldrappe abgeschlossen. Dieser Tage werden die ersten Küken aus Nestern der Brutkolonie im Tierpark Rosegg entnommen. Damit beginnt die Handaufzucht in diesem Jahr zwar stark verzögert, dennoch ist das Waldrapp-Team zuversichtlich, letztlich wie geplant rund 35 Küken für die Aufzucht zu bekommen. Helena Wehner und Barbara Steininger werden wieder die Ziehmütter sein. Zielsetzung ist, eine zweite Gruppe von Jungvögeln nach Andalusien zu leiten.